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AutorenbildPro Pferd

Spürbares Vertrauen

«Interaktion Pferde und Menschen»

Ein gemeinsames Projekt der Universität Zürich und der Schule Friedheim widmet sich der Arbeit von Schülerinnen und Schülern mit Pferden. Die Sozialkompetenz der jungen

Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird durch den Kontakt mit den Pferden gestärkt, wie erste Erkenntnisse zeigen. Die erarbeiteten Grundlagen sollen als Modell für gewaltloses Training zu einem Master-Studiengang «Interaktion Pferde und Menschen» führen.

Es ist kalt an diesem Vormittag Anfang März. Dennoch packt der Jugendliche, der hier einfach M heisst, den Strick mit klammen Händen und will als Erster das Pferd über den Platz führen. Das sei erstaunlich, stellt Martin Jany fest. Hätte er M früher gesagt, er müsse bei diesem Wetter nach draussen laufen gehen, wäre dies, wenn überhaupt, nur sehr widerwillig erfolgt. Jany ist Schulleiter der Schule Friedheim, die im Zürcher Oberland normal begabten Kindern und Jugendlichen mit Verhaltens- und Lernschwierigkeiten individuelle Betreuung und Förderung in drei Schulklassen und Wohngruppen bietet. Seit letztem Jahr gehört ein Programm mit Pferden dazu. M ist einer der Schüler, die sich freiwillig dafür meldeten. Seither hat er in seinem Verhalten eine merkliche Veränderung durchgemacht. «Die Sozialkompetenz ist durch das Programm mit den Pferden gestärkt», sagt Jany und ist begeistert von der positiven Dynamik, die M in der Gruppe nun zeigt. Er übernimmt Verantwortung, unterstützt und hilft.


Gewaltloses Training

Das Beispiel veranschaulicht deutlich das Ziel des Projektes. «Wir wollen den Schülern Vertrauen in die Umwelt und in sich selbst vermitteln», sagt Brigitte von Rechenberg. Als Forscherin, die auch dem wissenschaftlichen Ausschuss der Stiftung Pro Pferd vorsteht,

leitet Brigitte von Rechenberg das Projekt mit einer klaren Vision: «Ich möchte ein Modell für gewaltloses Training für Mensch und Tier entwickeln.» So ist das im letzten Jahr gestartete Programm nicht nur in Bezug auf die Entwicklung individueller Sozialkompetenz bemerkenswert, sondern auch deshalb einzigartig, weil es wissenschaftliche Basis und Pionierarbeit leistet. Ein Modell mit klar definierten Bewertungskriterien für die Interaktion zwischen Mensch und Pferd gibt es bisher nicht.


Die Voraussetzungen dazu sind geradezu ideal. Einerseits arbeitet die Schule Friedheim in Bubikon, wo die Schüler zur Schule gehen und auch wohnen, nach den Grundsätzen des gewaltlosen Widerstands von Haim Omer. Diese setzen auf einen ehrlichen, offenen und transparenten Austausch. Andererseits ist der Hof Jungholz von Dominique Blatter in Gossau ein Gnadenhof, auf dem ehemalige Polo-Pferde in der Gruppe den Lebensabend geniessen und nicht mehr tagtäglich geritten werden. Zudem findet sich auf dem Hof neben den zahlreichen Tieren auch viel landwirtschaftliches Gerät, was in den Pausen zwischen den einzelnen Lektionen eine abwechslungsreiche Beschäftigung erlaubt.

Die Lektion mit dem Pferd besteht in einem rund 45-minütigen Einzelunterricht. Er wird

von Heidrun Weiss geleitet, einer speziell für Coaching ausgebildeten Pferdetrainerin. Alle Schüler bekommen ein «eigenes» Pferd zugeteilt, damit die von Lektion zu Lektion erzielten Fortschritte auch selbst erkennbar sind. Die gestellten Aufgaben reichen vom Putzen über das Führen am Strick durch Hindernisse bis hin zum Rückwärtsrichten zwischen am Boden liegenden Stangen. Dass die Lösung in einem gemeinsam mit dem Pferd beschrittenen Weg liegt, wird schnell klar. Sie manifestiert sich in der Feststellung, dass man dem Pferd in die Augen schauen müsse, um wahrgenommen zu werden, oder in der Aussage, dass «mein» Pferd dies könne und «wir» dies schaffen würden. So wird mit Geduld und Empathie für das Pferd das eigene soziale Profil gestärkt. Auch M, der Jugendliche mit den klammen kalten Händen, braucht nicht lange zu überlegen, als man ihn nach dem Schönsten zur Arbeit mit dem Pferd befragt. Das sei das Vertrauen, das spürbar ist.


Die Fortschritte der Schüler werden mit einem Punkte-System verfolgt, das sowohl die

Arbeit am Pferd, wie die Auswirkung in der Schule, in den Wohngruppen und zuhause bei

den Eltern erfasst. Auch dürfen die Schüler ihre Meinung zum Programm abgeben. Während der Arbeit mit dem Pferd wird bei Mensch und Tier auf die Körperhaltung, die Mimik und Gestik geachtet, auf Bewegung, Geschwindigkeitskontrolle und Konzentration. Zudem gibt es für die Jugendlichen spezielle Scores für Sozial- und Selbstkompetenz oder Selbstwahrnehmung. Erste Auswertungen zeigen, dass sich die Resultate von Lektion zu Lektion verbessern und ab Lektion sechs die Pferde einen Fehler des Schülers «verzeihen». Zudem ist das Verhalten des Pferdes eine Reaktion auf das Verhalten des Schülers und trotz verschiedenem Charakter zeigen die Pferde ähnliche Resultate.


Neue Horizonte

Mit dem Fokus auf die Interaktion zwischen Mensch und Tier öffnet Brigitte von Rechenberg den Horizont und spricht Kreise an, die sich nicht einzig für die wissenschaftliche Forschung zum Wohl des Pferdes interessieren. Das spiegelt sich einerseits in der finanziellen Unterstützung ihrer Arbeit, die sie auch von der Meier-Birkel-Stiftung und der Hans-Jegen-Stiftung erhält. So kann nun eine zweite Gruppe von Schülern einen halben Tag pro Woche mit den Pferden im Hof Jungholz arbeiten. Andererseits wird damit die wissenschaftliche Basis für einen Master-Studiengang «Interaktion Pferde und Menschen» gelegt, der das gewaltlose Training von Pferden sowie dessen Effekt auf den Menschen zum Inhalt hat. Neben Kernfächern wie Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Verhaltensbiologie der Pferde soll der Studiengang ebenso praktische Arbeiten mit traumatisierten Pferden und traumatisierten

Menschen umfassen.


Auch Schulleiter Martin Jany sieht diesbezüglich Ausbaupotenzial. Denn die Schule

Friedheim entwickelt und erprobt mit dem Institut für Verhalten, sozio-emotionale und psychomotorische Entwicklungsförderung der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich eine Kooperation zur Vermittlung von Theorie, Entwicklung und Praxis. Ob das Tier und speziell das Pferd darin einen fixen Platz findet? Dem Umgang mit dem Pferd würde dies neue und willkommene Horizonte öffnen.

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