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AutorenbildPro Pferd

Keine Angst vor Heulage

Wieder ist die Weidezeit vorbei und wieder stellt sich die Frage, ob Heu als Grundfutter unserer Pferde durch Heulage ersetzt werden kann. Diese hat verschiedene Vorteile, steht aber in keinem guten Ruf. Sie soll zur «Übersäuerung» des Pferdemagens beitragen. Neue Möglichkeiten in der Forschung ergeben allerdings ein differenzierteres Bild, was vor allem Pferden mit chronischen Atemwegsbeschwerden zugutekommt.


In der Regel mähen die Bauern hierzulande ihre Wiesen zwei- bis dreimal pro Jahr. Je

früher dies geschieht, desto höher ist der Energiegehalt im Heu. Der erste Schnitt eignet

sich deshalb vor allem für Pferde, die leicht bis mittelschwer gearbeitet werden, der zweite Schnitt, oftmals hoch verdaulich und reich an Eiweiss, gilt für Stuten und Fohlen als optimal. Extreme Wetterbedingungen erschweren indes die Raufutterproduktion. In einem trockenen Sommer kann es bloss einen Schnitt geben und die Weiden sind bereits im Juli abgegrast, derweil in einem nassen Sommer das Heu verregnet und dessen Qualität beeinträchtigt wird. So stellt sich zum Jahresende in manchem Stall die Frage, wie die Grundfütterung der Pferde über den Winter sicherzustellen ist. Heulage (englisch Haylage) oder mitunter auch Grassilagen bieten sich an. Sie lassen sich gut lagern, schmecken den Pferden und sind auch bei chronischen Atemwegsbeschwerden von Vorteil.



Besser als der Ruf

Allein, Heulage stösst vielen Pferdebesitzerinnen und Pferdebesitzern im Sinn des Wortes sauer auf. Weil das Grünfutter (Gras und Kräuter) nicht durch Wasserentzug (Trocknung) und Lagerung (Keimruhe) haltbar gemacht wird. Bei Heulage und Silage ist der Konservierungsprozess verkürzt. Das Grünfutter wird mit einer höheren Restfeuchtigkeit gepresst, luftdicht verpackt, vergoren und haltbar gemacht, da dieser Prozess zu einer Ansäuerung führt. Deshalb werden gesundheitliche Schäden befürchtet, wegen «Übersäuerung» des Darmmilieus. Häufig werden Magengeschwüre bei Pferden aller Rassen und Nutzungsarten ja in Verbindung mit einem zu sauren Mageninhalt gebracht. Allerdings sind die tatsächlichen Auswirkungen unterschiedlicher Futtermittel auf den pH-Wert (Säuregehalt) das Magens noch nicht gänzlich erforscht. Prof. Dr. Annette Liesegang, die Direktorin des Instituts für Tierernährung und Diätetik an der Vetsuisse- Fakultät der Universität Zürich, widmet sich seit geraumer Zeit dem Thema.


In einer von Pro Pferd unterstützten Studie wurden 2014 «in vitro» (im Labor) die Verdauung von angesäuertem Futtermittel im Vergleich mit normalem Heu in Magen und

Dünndarm sowie der anschliessende Fermentationsprozess im Dickdarm simuliert. Interessanterweise war dabei das Säure-Basen- Gleichgewicht bei Haylage am stabilsten, sodass es bei Fütterung von Haylage möglicherweise zu einer geringeren Säure-Belastung als bei anderen Fütterungsarten kommen könnte. Das würde die erwähnten Befürchtungen entkräften. Die Eiweissverdauung zeigte keine Unterschiede. Jedoch konnte ein unerwartet deutlicher Abbau oder Verlust von Fructanen festgestellt werden, welche in Heu in grösseren Mengen als in Haylage vorkommen. In der Simulation der Dickdarmverdauung konnten in Bezug auf die pH-Wert-Entwicklung keinerlei Unterschiede zwischen den getesteten Futtermitteln festgestellt werden. Das angewendete In-vitro-Verfahren hat den Vorteil, dass die Untersuchungen zu Vorgängen im Magen-Darmtrakt ohne Versuchspferde durchgeführt werden konnten. Sie lassen aber keine Erkenntnisse von der Wirkung dieser Vorgänge auf den Gesamtorganismus des Pferdes zu.


Deshalb sind PD Dr. Brigitta Wichert und Prof. Annette Liesegang nun daran, den Einfluss der Ernährung auf den Gesamtorganismus des Pferdes zu untersuchen. Das Projekt (PR 2020–10) ist im Jahresbericht 2020 der Stiftung Pro Pferd ausführlich beschrieben (www.stiftungpropferd.ch/jahresberichte). Der Fokus liegt dabei auf dem wandständigen pH-Wert des Magens, der mit einer kabellosen pH-Sonde gemessen werden soll. Hierzu musste zunächst in Zusammenarbeit mit der ZHAW School of Engineering eine solche Sonde, die für den Einsatz bei Menschen, Hunden und Katzen geeignet ist, so umkonstruiert werden, dass sie für Messungen im Pferdemagen nutzbar ist. Eine neue Kapselumhüllung aus Kunstharz mit einer grösseren Öffnung und einem etwas längeren Pin für die Befestigung an der Magenschleimhaut wurde entwickelt und konnte bereits unter Laborbedingungen getestet werden. Sodann galt es den Datenlogger zu verbessern, damit das Signal auch über die im Vergleich mit dem Körper von Menschen oder Hunden weitere Distanz des Pferdekörpers eine einwandfreie Datenübertragung ermöglicht. Nach der finalen Optimierung der Technik können die Daten erhoben werden.


Vielfacher Nutzen

Diese neuen Möglichkeiten in der Forschung werden Erkenntnisse zu den tatsächlichen Effekten unterschiedlicher Futtermittel auf den wandständigen Magen-pH-Wert liefern. Das erlaubt, mögliche Gesundheitsrisiken aufgrund des Einsatzes von Heulage als Pferdefutter zu erkennen und diese einzuschätzen, was vielen Pferdebesitzerinnen und Pferdebesitzern die vermutlich unbegründete Angst nehmen kann. Anekdotenhafte Berichte über gesundheitliche Schäden wegen einer zu hohen Säureaufnahme lassen sich korrigieren. Überdies werden die Forschungsresultate für die Landwirte von Nutzen sein. Sollte Heulage als Pferdefutter geeignet sein, hat das für sie eine wirtschaftliche Bedeutung, da deren Herstellung wetterunabhängiger ist als die Ernte von hygienisch einwandfreiem Heu. Letztlich bietet auch die kabellose pH-Sonde einen klinischen Nutzen. Das auf die Bedürfnisse des Pferdes angepasste Gerät kann in der Diagnostik hilfreich sein.

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